Merchand war mit seiner Bande geisteskranker Trunkenbolde schon wieder im Gasthof, wo sie die Bewunderung der Gäste genossen und wie üblich wilde Geschichten erzählten. Ich hatte schon Angst, sie würden alle Bestien innerhalb einer Meile um die Mauern herum heranlocken – oder vielleicht auch vertreiben, was das Beste an dieser Nacht gewesen wäre. "Die erste und beste Kompanie an Aeternums Küste" nennen sie sich, wobei "vergoren" meiner Meinung nach auch noch dazugesagt werden sollte.\n\nSie erzählten die üblichen Geschichten über das Azoth, das sie gefunden hatten, die Horde Hutzeliger, die sie auf Hin- und Rückweg zur Schlucht dahingemetzelt hatten (was insgesamt wohl drei macht, wenn ihren Angaben zur Beute zu trauen ist). Dann berichteten sie unter trunkenen Rufen und Prahlereien davon, wie schnell sie einen Baum fällen konnten.\n\nAber einer der Gäste erhob das Wort und berichtete von einem Azoth-Baum, den bestimmt niemand fällen konnte.\n\nDa wurde es still im Gasthof und Merchand wollte wissen, wo dieser Baum sei. Der Mann, der seine unabsichtliche Aufforderung zweifellos bereute, sagte, er meine, er habe ihn am Ostrand von Lichtholz gesehen, wo er jedoch nicht immer stand – er war kurz nach der Nacht der blauen Laternen gewachsen. Viele Gäste bekreuzigten sich.\n\nMerchand hingegen schien das nur noch mehr zu motivieren (vielleicht betrachtete er den Baum als leichte Beute) und sagte, er würde sofort zu diesem Baum aufbrechen und "Stein und Bein schwören" (wohl eher "Stein und Bein prahlen" und mit den ersten und besten als einzigen Zeugen), ihn zu fällen, um mit seinem Holz die Mauern zu verstärken.\n\nSeit ihrer Abreise ist eine Woche vergangen – und es wird zwar vereinzelt davon geredet, einen Suchtrupp zusammenzustellen, aber bisher hat sich noch kein Freiwilliger gemeldet.\n\n– Bertand

Ein Brief von Bertand

Ein Baum, na und?

Ich habe bei den Händlern im Außenposten nachgefragt, aber nichts von den "Ersten und Besten" gehört. Wenn sie wirklich zu dem "Großen Azoth-Baum" im östlichen Lichtholz wollten, haben sie es nicht bis dort geschafft, nicht einmal, um ihre Vorräte aufzufrischen. Noch eindeutiger sprach dafür, dass die Fässer im Außenposten unberührt waren – wären sie leer oder verstreut gewesen, hätte ich sofort gewusst, dass Merchand mit seiner Bande hier war.\n\nIch muss an die Nacht der blauen Laternen und die Gerüchte über das plötzliche Erscheinen des Baumes denken und bin beunruhigt. Vielleicht hat Merchand ja ... keinen Baum mit Azoth-getränktem Holz gefunden, wie erhofft, sondern etwas, das ihn gefällt hat.\n\nDie Tatsache, dass er und seine Bande seitdem nicht mehr gesehen wurden ... vielleicht gehörte er ja doch nicht zu den Gesegneten der Insel, die wiedergeboren werden, um erneut zu versuchen, den Baum zu fällen. Was auch immer seiner Kompanie zugestoßen ist, eins steht fest – keiner ist darauf erpicht, zu diesem sogenannten "Azoth-Baum" zu reisen. Wenn dieser Baum wirklich so mächtig ist, dass selbst Merchand die Flucht ergreift und seinen Stolz herunterschluckt, dann macht er sicher auch kurzen Prozess mit jedem anderen kühnen Wanderer, der es wagen sollte, diesen Ort aufzusuchen.\n\n– Bertand

Die Ersten und Besten ... Fort

Ich, Yorke, verfasse diese Chronik und heuchele damit, Merchands nächtliche Prahlereien für die "Nachwelt" aufzuzeichnen, aber ich habe weder genug Tinte, Pergament noch Geduld für all sein Gewäsch. Zum Glück kann er diese Chronik nicht lesen, denn die Wahrheit über seine Abenteuer zu berichten, ist eine der wenigen Freuden, die seine Gesellschaft zu bieten hat.\n\nEr und seine Kumpane bereuen eindeutig, sich auf die Suche nach dem "Azoth-Baum" gemacht zu haben (ein törichtes Unterfangen – was für ein Baum wächst schon auf einmal aus der Erde und warum sollte man für ihn riskieren, Gott oder dem Teufel in die Quere zu kommen, vor allem angesichts dessen, was das Azoth anderswo angerichtet hat!). Als sie ihn erblickten, schienen sie nicht auf den Ruhm erpicht, den sie durch sein Fällen gewinnen würden, sondern es herrschte allgemeine Verwirrung darüber, wie sie den Baum zu Fall bringen und abtransportieren sollten. Keiner hatte sich vorher entsprechende Gedanken gemacht, einen Wagen mitzubringen, der dafür groß genug ist.\n\nIch für meinen Teil lagere hier nur sehr ungern. Mir erscheint es als eindeutige Warnung, dass die Nacht der blauen Laternen mit dem plötzlichen Erscheinen des Baumes zusammenfiel und halte diese "Heraklesaufgabe" für unpassend für diesen Haufen.\n\nBei Einbruch der Nacht schienen die blauen Laternen der Straße noch heller zu leuchten und selbst die weit entfernten waren klar und deutlich zu erkennen. Während ich diese letzten Zeilen schreibe, hat Merchand sich schlafen gelegt und ich werde mir erst morgen Gedanken darüber machen, wie ich passende Worte für dieses Rätsel finde ... es sei denn, er zerreißt das Pergament in einem Wutanfall, wie er es schon mit den meisten Berichten der Expeditionen getan hat, die unglücklich verliefen.\n\n– "Der große Merchand" (d. h., Chronist Yorke)

Chronik der Merchand-Kompanie

Tag eins

Ich konnte nicht schlafen. Ich kam mir in unserem Lager unter dem Baum beobachtet vor. Doch als das Licht der Morgendämmerung auf das Lager fiel, war ich erleichtert und meine Angst war wie fortgewischt – und der Tag hielt noch eine weitere Freude bereit: Merchands Demütigung!\n\nIch zeichne dies mit großer Belustigung auf – ich beobachtete, wie erst Merchand und dann einer seiner Männer nach dem anderen – dann zu zweit und schließlich im halben Dutzend mit ihren Beilen auf den Baum einschlugen und ihm keinen Kratzer zufügen konnten! Schließlich versuchte Merchand mit hochrotem Kopf den Baum mit Flüchen zu fällen, hackte erst mit dem Beil nach seinen Ästen und dann mit dem Schwert – aber es war zwecklos.\n\nWäre er nicht so wütend gewesen, hätte ich laut aufgelacht, aber je näher die Nacht heranrückte, desto stärker verspürte ich wieder die Unruhe vom Vortag, also biss ich mir auf die Zunge. Zu meiner weiteren Beunruhigung bemerkte ich, dass Merchand keine Anstalten machte, das Lager abzubrechen – allem Anschein nach wollte er im Mondenschein und im Glanz des Baumes weiterarbeiten.\n\nAber ... das blaue Licht, das dem Holz des Baumes entströmte, schien mit jedem Hieb nur noch stärker zu strahlen, als ob es sich gegen ihn wehrte. Vielleicht war es ja nur eine Lichttäuschung ... aber es schien zuzunehmen und mit jedem Schlag wie ein Herz zu pulsieren. Ich wandte meinen Blick vom Baum ab und sah mich in der zunehmenden Dunkelheit um, aber außer den blau brennenden Laternen war nichts zu sehen ... außer, das manche ... sich zu bewegen schienen, als würden sie von Männern herumgetragen werden.\n\nWas für Männer tragen eine Azoth-Flamme vor der Brust?\n\n– "Der große Merchand" (d. h., Chronist Yorke)

Tag zwei

Sei gewarnt, Reisender – wenn du an einen großen Baum kommst, lasse dich nicht darunter nieder – andere, die vor dir dort waren, haben dies versucht und nun liegen ihre Leichen neben seinen Wurzeln. Ich habe diejenigen, die ich sah, nicht begraben, denn auf Aeternum erstehen sie normalerweise wieder auf und es bestand immer noch Hoffnung, dass sie sich im Sonnenlicht auflösen würden. Aber es hatte den Anschein, dass sie schon länger dort lagen, was auch den Baum beunruhigte.\n\nDer Baum scheint uns zu lehren, dass Aeternum sich nimmt, was es braucht, und den Rest in der Sonne verwesen lässt. Auf dem Wappen eines der Schilde erkannte ich das Zeichen der "ersten und besten Kompanie" – Merchands Bande von Opportunisten – aber der Schild war von einem Schwert gespalten worden, das schärfer war, als das Wappen, das den Verteidiger schützte.\n\nIn der Umgebung fand ich Spuren, jenen nicht unähnlich, die ich bei den Ruinen gesehen hatte, deren Bann sich Grenville nicht entziehen konnte (wie viele Narren spornt dieses Land eigentlich an?). Die Uralten Hüter hatten sich Merchands Bande geholt, bis auf den letzten Mann.\n\nDer Baum ist dem Azoth entsprungen, dem blauen Licht der Laternen. Und da die Toten hier mit brennendem Azoth in den Sphären in ihrer Brust herumwandern, befürchte ich, dass diese toten Männer nun an ihrer Seite sind.\n\n– Maddie

Merchands Chronik Kapitel - NWGuide Datenbank

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